"Soziokultur" - das Wort schreckt sicher erst einmal ab. Auch weil niemand so recht weiß, was damit eigentlich gemeint ist. Höchste Zeit einen Versuch zu starten, den Begriff zu beleuchten:
Fangen wir vorne an und nähern uns einmal dem Begriff "Sozio-Kultur". Mit Freude erkennen wir das Wort "Kultur" und können uns endlich etwas Konkretes vorstellen. Doch halt, so einfach ist das auch nicht, denn "Kultur" ist ein weites Feld, das eigentlich auf alles passt, was Menschen so unternehmen, aber genau damit sind wir der Sache schon ein Stückchen näher gekommen.
Jetzt kommt ein großes Problem: In den 70er Jahren, als die ersten soziokulturellen Begegnungszentren entstanden, wurde leider in "diesem unserem Lande" der Begriff "Kultur" immer noch und allzu oft verstanden als irgendetwas, das mit hoher Kunst zu tun hat. Dahinter verbarg sich ein uneingestandenes Vorurteil, das kulturelle Ausdrucksformen nur dann als gesellschaftlich wertvoll und vor allem förderungswürdig akzeptiert, wenn sie den traditionsfixierten Kriterien selbsternannter Kunstsachverständiger genügen. Klartext: Kultur wurde identifiziert mit Opern, Staatstheatern, Museen, Sinfoniekonzerten. {mospagebreak}
Eigentlich wissen wir aber alle, dass "Kultur" mehr ist als die sogenannte "Hochkultur" in pompösen Konzertsälen oder sterilen Museumsgebäuden, und trotzdem wurde sie wohlbehütet in einen Glaskäfig verpackt, dem man sich nur demütig und bewundernd zu nähern hatte. Ein derartiges leider immer noch gängiges "Kultur"-Verständnis hat fatale Folgen:
Erstens zieht es einen tiefen Graben zwischen Kulturschaffenden und Kulturkonsumenten (wer kennt nicht den ehrfurchtsvollen Blick hinauf zu den Göttern des Kultur-Olymps) und zweitens entsteht dadurch automatisch eine Unterscheidung in "kulturnahe" und "kulturferne" Bevölkerungsschichten. Als Ergebnis bleibt leider eine undemokratische, hierarchische Ordnung einer Gesellschaft im Zerrspiegel ihrer "Kultur".
Wir teilen diese einengende Bedeutung des Begriffes "Kultur" nicht und meinen, daß demgegenüber die Forderung nach Demokratisierung der "Kultur" mehr als plausibel erscheint. Doch darf es dabei nicht darum gehen, "kulturferne" Bevölkerungsschichten an ein überkommenes Kulturverständnis und -angebot heranzuführen, sondern es geht um eine Ausweitung des Kulturbegriffs an sich.
Nun sind sich Kulturwissenschaftler und Soziologen längst einig, was sie unter "Kultur" verstehen wollen: Mit dem Wort "Kultur" meinen sie jene Ebene, auf der gesellschaftliche Gruppen (alle Gruppen übrigens) selbständige Lebensformen entwickeln und ihren sozialen und materiellen Lebenserfahrungen AUSDRUCKSFORM verleihen. Oder deutlicher:{mospagebreak}
Kultur ist die Summe aller Bräuche, Normen, Institutionen, Werkzeuge, Wertorientierungssysteme, Bedürfnisse usw. in einer existierenden Gesellschaft. Jetzt können wir auch den Begriff "Sozio-Kultur" besser verstehen, denn er umfaßt eben alle Ebenen, auf denen Menschen miteinander umgehen, er beinhaltet eben, daß jeder einzelne sich selbst als "Träger von Kultur" begreift und aktiv und selbst bestimmend am kulturellen Prozess teilnehmen kann. Fasst man den Begriff einmal so weit, dann ist es auch vollkommen widersinnig, ein Gegensatzpaar wie "Hochkultur" und "Alternativkultur" zu bilden, denn beides sind vorhandene Ausdrucksformen gesellschaftlicher Umstände, und die hartnäckigen Versuche, die Legitimation der jeweils anderen in Zweifel zu ziehen, führen in eine Sackgasse. Der einzige Weg heraus ist ein veränderter Umgang mit der Kultur, also nicht Alternativkultur, sondern alternative Kulturarbeit.
In einem sich als demokratisch bezeichneten Gemeinwesen fällt ihr die Aufgabe zu, die Kultur der Wenigen zu einer Kultur der Vielen zu machen, die Kultur aus verstaubten hierarchischen Strukturen zu leiten und dadurch jedem Menschen seine kulturelle Identifikation zu vermitteln. Der einzige Weg heraus ist ein veränderter Umgang mit der Kultur, also nicht Alternativkultur, sondern alternative Kulturarbeit. In einem sich als demokratisch bezeichneten Gemeinwesen fällt ihr die Aufgabe zu, die Kultur der Wenigen zu einer Kultur der Vielen zu machen, die Kultur aus verstaubten hierarchischen Strukturen zu leiten und dadurch jedem Menschen seine kulturelle Identifikation zu vermitteln.{mospagebreak}
Die Druckerei als soziokulturelles Begegnungszentrum ist heute kein Einzelfall mehr, fast jede Stadt hat inzwischen so einen Ort, in dem Menschen ernst machen, mit dem Versuch, einen breiteren Begriff von Kultur zu etablieren und sich selbst aktiv in des kulturelle Geschehen ihres Lebensraumes einmischen. Soziokulturelle Zentren, wie auch die Druckerei, sind hervorgegangen aus Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften, der am jeweiligen Ort lebenden und arbeitenden Menschen.
Mit der Einrichtung solcher Orte haben sich die Menschen zur Aufgabe gemacht, eine Begegnungsstätte zu schaffen für Menschen aller Berufsgruppen, aller Altersgruppen und aller sozialen Schichten, ungeachtet ihrer Nationalität.
Menschen sollen hier Möglichkeiten finden, ihrer zunehmenden Vereinzelung zu entgehen, mit anderen in Austausch zu treten, zwanglos an der Gestaltung der Häuser mitzuwirken. Oberstes Merkmal der Zentren ist daher die Repressionsfreiheit. Hier entscheidet nicht ein einzelner aufgrund eines egoistischen Privatinteresses, sondern allen steht die Möglichkeit offen, an den Entscheidungsprozessen teilzuhaben.{mospagebreak}
Kultur selber machen heißt die Devise.
Kultur nicht nur für alle, sondern auch von allen. Hierzu gehört die kreative Nutzung der gesamten Räumlichkeiten von der Werkstatt über die Kneipe bis zur Bühne zur Bereitstellung von Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten.
- Soziales und politisches Lernen (als Bestandteil von Kultur) zu ermöglichen.
Dies geschieht durch basisdemokratische Organisationsmodelle. Die Druckerei arbeitet in kollektiver Selbstverwaltung und ist ein eingetragener Verein. Die Druckerei verfügt über Entscheidungsgremien wie Mitgliederversammlung, Vereinsvorstand und vor allem viele Gruppen zur Planung und Organisation des Programmangebots, der Kneipe und vorhandener Projekte. In all diesen Bereichen steckt enorm viel ehrenamtliche Arbeit, ohne die die Druckerei nicht funktionieren würde. Entscheidend ist: Selbstverwaltung unter Beteiligung möglichst vieler gehört zum Selbstverständnis der Druckerei.